Haas-Effekt, Franssen-Effekt, Raummoden und Double Bass Arrays

4 spannende Konzepte aus der (Psycho-)Akustik und was Sie darüber wissen sollten


Akustik und Beschallungstechnik kann so spannend sein. Wären da nicht immer die vielen Fachwörter. In diesem Artikel erfahren Quereinsteiger, Interessierte, Musik-Enthusiasten und alle, die Lust auf Akustik haben, was der Haas- und der Franssen-Effekt sind, wie Raummoden den Sound verschwurbeln und warum Double Bass Arrays darauf eine Antwort sein können.

 

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2-Wege-ELA-Lautsprecherboxen-Paar, schwarz

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Der Haas-Effekt: Aus welcher Richtung wir Schall wahrnehmen, bestimmt allein der zuerst gehörte Direktschall

Der Haas-Effekt beschreibt folgendes Phänomen: Wenn eine Person zwei Geräusche mit einer Verzögerung von weniger als 40 Millisekunden (unterhalb der menschlichen Echogrenze) hört, dann nimmt diese Person beide als ein einziges Geräusch wahr. Das hängt damit zusammen, wie wir als Zuhörer die räumliche Position eines Lautsprechers durch Schall bestimmen (einfach gesagt: was wir denken, woher der Schall kommt). Da zwei Geräusche mit einer sehr kurzen Verzögerung als ein Geräusch wahrgenommen werden, wird die räumliche Position durch das zuerst gehörte, dominante Geräusch bestimmt. Das ist dann völlig unabhängig davon, woher das zweite kam. Mit anderen Worten: Wir verorten die Quelle eines Geräusches anhand dessen, was zuerst an unseren Ohren ankommt. Alles, was danach kommt, vermittelt ein Gefühl von Tiefe und Räumlichkeit, erscheint uns aber nicht als einzelner Ton.

Wo ist der Haas-Effekt in der Praxis relevant?

Mit einem Delay auf 35 Millisekunden können Sie das Stereobild einer ansonsten „flachen“ Monospur also verbreitern und ihr eine Dimension hinzufügen, ganz ohne Hall oder ein Imaging-Plug-in. Mit dem Haas-Effekt erzeugen Sie ein breiteres Stereobild. Der Effekt eignet sich für einen breiteren Mix mit mehr Tiefe auf Theaterbühnen, in der Gastronomie oder eben überall, wo stationäres Publikum ist. Übrigens können Sie den Haas-Effekt umgedreht lesen: Längere Verzögerungen zwischen den Tönen erzeugen deutliche Wiederholungen und ein größeres Gefühl der Gerichtetheit.

„Was ist für eine Beschallung in einer Ausstellung oder einer Theaterbühne nun der Unterschied zum reinen Panning?“

Panning ist das Mittel der Wahl, um dem Mix eine Richtung zu geben. Aber während die Panning-Potis die Lautstärke für jeden Kanal regeln, steuert der Einsatz von Delays (nichts anderes ist eine 40-ms-Verzögerung) das Timing der einzelnen Kanäle. Da Menschen sowohl die Intensität als auch das Timing von Klängen wahrnehmen, kann die Nutzung des Haas-Effekts zu besonders effektiven Ergebnissen führen. Ein Beispiel:

  1. Duplizieren Sie eine Mono-Audiospur.
  2. Nehmen Sie ein hartes Panning nach links und rechts vor.
  3. Fügen Sie einfach ein kurzes Delay zu einer der Spuren hinzu.
  4. Experimentieren Sie mit der Verzögerungszeit im Delay. Es gibt deutliche Unterschiede, die auch Geschmackssache sind. Der Haas-Effekt greift ab circa 10 Millisekunden.

Der Franssen-Effekt: Schallquellen heimlich verschieben

Der Franssen-Effekt ist eine räumliche Illusion. Dafür müssen Schallreflexionen im Raum möglich sein. Der Franssen-Effekt tritt auf, wenn ein schmalbandiger Stimulus (in unserem Fall: ein Ton) aus zwei Lautsprechern kommt, die in einem Winkel von ±45º zueinander gedreht sind. Achtung: Der Franssen-Effekt funktioniert nur, wenn der Raum nicht schalltot ist.

Der Franssen-Effekt löst folgendes Phänomen aus:

Links und rechts vom Hörer befindet sich je ein Lautsprecher. Beide sind mindestens 1 Meter vom Hörer entfernt. Der Hörer steht also deutlich außerhalb des Hallradius der Lautsprecher. Jetzt machen wir ein kleines Experiment:

  1. Beide Lautsprecher spielen Töne mit einem konstanten Pegel und in einem konstanten Spektrum (zum Beispiel Einzeltöne). So weit, so normal.
  2. Nun beginnt der linke Lautsprecher einen scharfen, abrupten, lauten Reinton zu erzeugen. Der Hörer wird das bemerken und den Ton richtig dem linken Lautsprecher zuordnen.
  3. Wir lassen den scharfen, lauten Reinton vom linken zum rechten Lautsprecher „wandern“, als Überblende. Und zwar vorsichtig und vor allem gleichmäßig: Die beiden Lautsprecher verändern ihre Lautstärke komplementär zueinander, wenn der eine um X ansteigt, nimmt der andere genau um X ab.
  4. Wenn der Ton vollständig zum rechten Lautsprecher gewandert ist, ist dieser Lautsprecher viel dominanter, lauter – das wird der Hörer aber nicht bemerken. Obwohl der rechte Lautsprecher am Ende den gesamten Ton abgibt, verbleiben die Höreindrücke für den Hörer an der Position des linken Lautsprechers.

Diese Fehl-Lokalisation besteht auch dann weiter, wenn der Versuchsleiter die Kabel des linken Lautsprechers demonstrativ absteckt – eine sehr eindrucksvolle akustische Täuschung. Der Effekt lässt sich am einfachsten für Töne im Frequenzbereich von 1,0 bis 2,5 kHz nachweisen.

Das funktioniert übrigens nur bei einem schmalbandigen Geräusch oder einem reinen Ton (etwa einem 1000-Hz-Ton). Wenn es sich um ein breitbandiges Geräusch handelt, wird das Geräusch plötzlich in einem Ohr gehört und „springt“ dann für den Rest des Geräuschs zum anderen Ohr. Zur Erinnerung: Breitband- oder HD-Klang ist (weit-verbreitete) Umgangssprache für Klangqualitäten ab 7 kHz.

Was zeigt uns der Franssen-Effekt?

Dieser Effekt gibt einige Informationen darüber, wie wir Menschen Schallquellen in geschlossenen Räumen lokalisieren:

  1. Das menschliche Gehör ist in der Lage, eine Schallquelle in halligen Schallfeldern zu lokalisieren, wenn es schnelle Signaländerungen oder Signalanfänge gibt: Der Hörer lokalisiert den scharfen Ton am linken Lautsprecher zu Beginn des Experiments korrekt.
  2. Das menschliche Gehör ist offenbar nicht in der Lage, Signale mit konstanter Amplitude und Spektrum in halligen Schallfeldern zu lokalisieren. Der Hörer hat die Überblendung auf den rechten Lautsprecher nicht erkannt.
  3. Aus Punkt 2 abgeleitet: Solange keine neue Schallquelle lokalisiert wird, bleibt die Richtung der zuletzt lokalisierten Schallquelle (linker Lautsprecher) als wahrgenommene Richtung erhalten.

"Der Franssen-Effekt zeigt, dass wir uns bei der Lokalisierung von Schallquellen auf den Beginn des Tons verlassen."

Die Erklärung: Zu Beginn des Experiments, als der linke Lautsprecher anfing zu schallen, gab es eine kurze Zeitspanne, in der nur der Direktschall vom linken Lautsprecher am linken Ohr des Zuhörers ankam, sprich: ohne die Reflexion von der Wand, nur der Schall zwischen Lautsprecher und linkem Ohr. In dieser Zeitspanne konnte der Hörer die Soundquelle sicher lokalisieren, da es keine Störung durch Wandreflexionen gab. Einige Millisekunden später kam (außerdem) der Schall der Wandreflexionen an beiden Ohren des Hörers an und störte die Lokalisation der Schallquellen. Der Hörer hatte aber noch im Kopf: linker Lautsprecher!

Während der Überblendung blieben der Pegel und das Spektrum des abgestrahlten Schalls konstant – Sie erinnern sich: Es war eine komplementäre Überblende. Diese Überblende wurde von vielen Wandreflexionen der vorherigen Schallsituation überlagert.

"Kurz: Das Gehör lokalisiert Schallquellen in halliger Umgebung nur bei Schallanfängen oder bei größeren spektralen Veränderungen. Die Wandreflexion verhindert die Lokalisation komplett."

Solange keine neue Lokalisation möglich ist, scheint das Gehör die zuletzt lokalisierte Richtung als wahrgenommene Schallquellen-Richtung beizubehalten. Hat der Franssen-Effekt irgendeinen Nutzen in der beruflichen Praxis? Eher selten. Es ist eher die Spitze des Eisbergs bei verwirrenden Höreindrücke in halligen Umgebungen. Denn die machen die Lokalisierung von Soundquellen immer besonders schwer.


Raummoden: stehende Schallwellen mit einer Eigenfrequenz in geschlossenen Räumen

Alle Räume haben natürlich vorkommende Resonanzfrequenzen. Im Fachjargon heißt das „Raummoden“ oder „stehende Wellen“. Das Internet kennt andere Begriffe dafür, etwa „Eigenschwingungen“ oder „Eigenmoden“. Raummoden sind die Hauptursache für akustische Verzerrungen und verursachen Spitzen und Einbrüche im Frequenzgang von 20 dB oder mehr. Die Resonanzen, die solche Raummoden erzeugen, heißen wiederum Modalresonanzen. Diese Modalresonanzen speichern (Schall-)Energie und klingen im Vergleich zu benachbarten Frequenzen langsam ab. Das wiederum führt zu hörbaren Problemen wie dem „One-Note-Bass“ und dem klassischen Dröhnen.

Wenn Sie mit der Leistung Ihres Heimkinos, Hörraums oder Aufnahmestudios in den Bässen und unteren Mittenfrequenzen unzufrieden sind, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass das Problem mit den negativen Auswirkungen von Modalresonanzen zusammenhängt.

Wie entstehen Raummoden?

Raummoden entstehen, wenn sich eine Schallwelle zwischen zwei gegenüberliegenden Wänden ausbreitet, zum Beispiel der linken und rechten Seitenwand oder dem Boden und der Decke. Die erste modale Resonanz tritt bei der Frequenz auf, bei der der Abstand zwischen den beiden Begrenzungen gleich einer halben Wellenlänge ist. Wenn ein Raum ca. 12 m  (40 ft) lang ist, liegt die erste Modalresonanz bei 80 Hz. Weitere Resonanzen entstehen entsprechend bei dem Vielfachen dieser Frequenz.

Die Lösung: Raummoden-Rechner?

Raummoden-Rechner sagen die Frequenzen voraus, bei denen modale Resonanzen auftreten. Für rechteckige Räume lassen sich die Raummoden leicht aus den Längen-, Breiten- und Höhenmaßen vorhersagen. Anhand der vom Rechner erzeugten Ergebnisse sehen Sie, welche Spitzen auf einer Frequenzgangmessung durch Raummodi entstehen.

Ein Beispiel für Spitzen im Frequenzgang, die nicht durch Raummoden erzeugt werden, sind Interferenzen an der Lautsprechergrenze. Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf diese Rechner: Zwei Räume mit den gleichen Abmessungen, aber unterschiedlichen Materialien und Einrichtungen führen möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen.

"Die tatsächlichen Raummoden werden außerdem durch Wände mit Türen, Fenstern und anderen Abweichungen beeinflusst."

Zudem kommen diese Rechner an ihre Grenzen, wenn die Räume nicht rechteckig sind, also offen oder L-förmig. Da hilft dann die Randelementmethode (Boundary Element Modeling). Ein Beispiel für einen Rechner finden Sie hier oder auch hier.

Wie kann ich Modalresonanzen durch akustische Messungen identifizieren?

Anzeichen für Modalresonanzen  erkennen Sie bei Messungen in drei Bereichen:

  • Eine schmale Spitze im Frequenzgang.

  • Langsames Abklingen im Zeitbereich.

  • Änderungen des Frequenzgangs und des Zeitbereichsverhaltens an verschiedenen Stellen im Raum.

Wie reduziere ich die Auswirkungen von modalen Resonanzen?

Es gibt eine Reihe von verschiedenen Lösungen für Raummodenprobleme:

  • Akustische Behandlung.

  • Positionsentzerrung: Änderung der Hörpositionen und der Lautsprecher/Subwoofer.

  • Elektronische Entzerrung.

  • Raummodenauslöschung.

 


Double Bass Arrays: Raummoden zwischen den Seitenwänden und zwischen Boden und Decke eliminieren

Ein Double Bass Array (DBA) besteht aus zwei identischen Arrays von Subwoofern. Ein Array auf der Vorderseite und eines auf der Rückseite. Die Subwoofer müssen an speziellen Positionen an der Wand montiert werden. Wenn Sie beispielsweise vier Treiber in einem Array (also insgesamt acht) in einem Quadrat angeordnet haben, ist ihr richtiger Platz bei 1/4 und 3/4 der Breite und Höhe der Wand. Die Seitenwände wirken wie Spiegel und haben die gleiche Wirkung wie äquidistante Bassquellen. Dadurch werden die Raummoden zwischen den Seitenwänden und zwischen Boden und Decke komplett eliminiert. Bei dieser Anordnung erzeugt das vordere Array eine ebene Welle, die sich durch den Raum fortsetzt. Wenn sie an der Rückwand des Raumes ankommt, erzeugt das zweite Subwoofer-Array das gleiche Signal, aber mit umgekehrter Polarität.

"Ein großer Vorteil des Double Bass Arrays: Der Bass wirkt mit dieser Anordnung auf eine große Fläche, nicht nur auf einen Zuhörer. Perfekt für Kinos oder Bühnen."

Der Trick: das hintere Array verwenden, um die Zeit verzögern, die der Schall für den Weg vom vorderen Array zum hinteren braucht

Eine solche Verzögerung erreichen Sie durch den Einsatz von DSP-Equalizern. In der Regel muss der Pegel des hinteren Arrays etwas niedriger sein als der Pegel des vorderen Arrays. Denn in der Praxis gibt es bei der Ausbreitung der Welle immer einen kleinen Verlust durch die Beschaffenheit des Raumes. Es hilft, wenn der Subwoofer eine geringe Tiefe hat, idealerweise direkt in die Montagewand montiert ist.

"So kompensieren sich beide Wellen gegenseitig und es entsteht keine Reflexion an der Rückwand. Der Bass ist damit komplett frei von Raummodi."

Double Bass Arrays funktionieren auch mit mehr oder weniger Treibern pro Wand

Wichtig ist nur, dass der Abstand zwischen zwei Treibern doppelt so groß ist wie der Abstand zwischen dem Treiber, der einer Seitenwand am nächsten ist, und der Seitenwand selbst. Wenn Sie nur zwei Treiber pro Array verwenden wollen, müssen diese auf 1/4 und 3/4 der Raumbreite und in der Mitte zwischen Boden und Decke montiert sein.

 Die Subwoofer können Sie also elegant in der Wand oder in einem Regal verstecken.


 Die Subwoofer können Sie also elegant in der Wand oder in einem Regal verstecken.

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