Die Magie einer guten Delay-Line

Wie Sie verzögerte Lautsprecher für eine perfekte Beschallung nutzen

Ihre aktuelle Beschallungstechnik soll ein größeres, weiter verteiltes Publikum erreichen? Die gängigste Lösung ist es, zusätzliche ELA-Lautsprecher hinzuzufügen. Wenn Sie aber eine wirklich große Fläche beschallen müssen, ist es unvermeidbar, die zusätzlichen Lautsprecher weit entfernt von der Hauptbeschallung aufzustellen. Damit der Klang kohärent bleibt, müssen Sie das Soundsignal zeitlich abgestimmt verzögern. Diese Verzögerung ist die Delay-Line. Warum das nötig ist? Ohne Delay leidet die Qualität der Beschallung. Denn Sound ist Luftdruck, der sich durch den Raum bewegt. Die Herausforderung: Menschen stehen in unterschiedlicher Distanz zu unterschiedlichen Lautsprechern – und in Innenräumen um Ecken, hinter Hindernissen oder auf verschiedenen Ebenen. Was Sie bei einer Delay-Line beachten sollten, erfahren Sie hier.


Grundsätzliches: Das ist „Delay“

„Delay“ in der Musik, Akustik und bei PA-Anlagen bezieht sich auf den Effekt oder das technische Prinzip, bei dem ein gespieltes Signal aufgezeichnet und dann nach einer bestimmten Zeitspanne wieder abgespielt wird. Dies erzeugt eine Art „Echo“ (im Sinne einer schnellen Wiederholung). Es wird häufig in der Musikproduktion verwendet, um räumliche Klangeffekte oder komplexe rhythmische Muster zu erzeugen. Bei PA-Anlagen können Sie den Delay-Effekt nutzen, um Tonsignale zeitlich zu verschieben, sodass die aus unterschiedlichen Lautsprechern abgegebenen Töne synchron beim Zuhörer ankommen. Diese Anwendung ist besonders wichtig bei großen Veranstaltungsorten, in denen der Schall verschiedene Entfernungen zurücklegen muss. Die Zeitspanne, das Volumen und die Anzahl der Wiederholungen des verzögerten Signals können Sie normalerweise einstellen, um verschiedene Klangeffekte zu erzielen. Das kann auch für Druckkammerlautsprecher und andere ELA-Lautsprecher wichtig sein.

Lautsprecher-Delay als Hilfe bei Distanz

Distanz beeinflusst den Schall in zweierlei Hinsicht:
  1. Hohe Frequenzen sind anfälliger für Störungen (Diffusion) bei der Ausbreitung im Raum. Denn sie haben eine kurze Wellenlänge. Mit zunehmender Distanz zwischen Lautsprecher und Publikum nehmen höhere Frequenzen überproportional schneller ab als niedrige Frequenzen. Das führt dazu, dass der Klang im hinteren Teil eines großen Raumes matschig und unverständlich wird. Das gilt besonders für Open-Air-Veranstaltungen.

  2. Die Lautstärke des Tons nimmt mit jeder Verdoppelung der Entfernung von der Schallquelle um die Hälfte ab. Gehen wir von einer großen Halle oder einem Einkaufszentrum aus: Dort ist der Schalldruckpegel (SPL), der von Lautsprechern auf einer Bühne oder von einer zentralen Beschallungsanlage erzeugt werden muss, viel zu laut für das Publikum im vorderen Bereich – jedenfalls dann, wenn das Publikum im hinteren Teil des Veranstaltungsortes auch etwas hören soll.

Lautsprecher-Delay als Hilfe bei Hindernissen, Ecken oder Winkeln

Diffusion und Absorption verhindern, dass sich hohe Frequenzen so weit wie tiefe Frequenzen ausbreiten. Und sie verhindern auch, dass hohe Frequenzen Hindernisse durchdringen und um Ecken herum gehen. Die Folge: Bereiche unter Balkonen, insbesondere kombiniert mit einer gewissen Distanz, hinter Türöffnungen und um Ecken herum erfahren einen merklichen Abfall der hohen Frequenzen. Die Lösung: Zusätzliche Lautsprecher decken Bereiche ohne Sichtlinie zur Hauptbeschallung ab.

Woran Sie erkennen, ob Sie zusätzliche Lautsprecher benötigen

Die kurze Antwort: testen! Spielen Sie über die Beschallungsanlage ein repräsentatives Stück ab und hören Sie in alle Bereiche hinein, in denen später Publikum steht. Achten Sie darauf, ob irgendwo Frequenzen besonders abfallen und ob die Sprachverständlichkeit gegeben ist. Denken Sie daran, dass der Hall geringer ist, wenn später Menschen im Raum sind – das macht die Sprachverständlichkeit besser, absorbiert aber auch hohe überproportional zu niedrigen Frequenzen. Hören Sie, ob es irgendwo „klangtote“ Punkte gibt oder sich der Klang anderweitig stark in verschiedenen Bereichen unterscheidet. Wenn ja, haben Sie die Lösung: Sie brauchen weitere Lautsprecher.

Nutzen Sie digitale Hilfsmittel

Ein altes Sprichwort aus der Beschallungstechnik lautet: Das beste Messgerät sind die eigenen Ohren. Stimmt schon. Aber ein paar handfeste Parameter können helfen. SPL-Meter und Spektralanalysatoren liefern konkrete Daten und bestätigen (hoffentlich) Ihre Wahrnehmung.

Faustregel: nicht mehr als 6 dB Abweichung im gesamten Publikumsbereich.

Wenn Sie ein weißes Rauschen über die Beschallungsanlage laufen lassen und einen Echtzeitanalysator (RTA) verwenden, können Sie auch Frequenztäler oder -spitzen visuell beobachten.

Worauf Sie bei zusätzlichen Lautsprechern achten sollten

Das Ziel muss es sein, einen Delay-Line-Lautsprecher (oder mehrere) zu finden, der die gewünschte Beschallungszone in mindestens akzeptabler Weise abdeckt. Er braucht die richtigen Frequenz-, Abstrahlungs- und Dynamikeigenschaften, die Sie wählen würden, wenn dieser Bereich Ihr einziges Anliegen wäre. Wenn Sie das tun, haben Sie einen guten Anfang gemacht, aber es gibt noch ein paar zusätzliche Überlegungen:

  1. Achten Sie darauf, dass Ihre zusätzlichen ELA-Lautsprecher von ähnlicher Qualität sind wie Ihre Hauptlautsprecher. Sie können zwar mit der Hilfe von Equalizern einige Ungereimtheiten ausgleichen, die Beschallung ist aber deutlich eleganter, wenn die Lautsprecher zueinanderpassen.
  2. Im Vergleich zu den Hauptlautsprechern brauchen Ihre zusätzlichen Lautsprecher eventuell weniger Leistung.
  3. Wahrscheinlich brauchen Ihre zusätzlichen Delay-Line-Lautsprecher keine so starken Bässe wie die Hauptanlage. Der Grund: Unterhalb von 200 Hz (siehe auch: Frequenzgang bei Lautsprechern) setzt sich der Ton oft viel besser gegen Hindernisse durch und umgeht Ecken deutlich hörbarer.

Die beste Positionierung zusätzlicher Lautsprecher

Die Positionierung von Wandlautsprechern ist ein eigenes Thema. Bei einem Balkon, einer Loge, etwa im Theater, müssen Sie die Delay-Line-Lautsprecher beispielsweise erhöht aufhängen, damit Sie nicht im Blickfeld des Publikums sind. Auch Geländer und Stützpfeiler können herhalten. Im besten Falle positionieren Sie die Lautsprecher so nah wie möglich an der horizontalen Linie mit den Hauptlautsprechern. Das reduziert den horizontalen Versatz.

In der Realität ist die beste Position für Ihre Delay-Line-Lautsprecher abhängig von Ästhetik und Montagemöglichkeiten.

Berechnung des Delay und warum Sie überhaupt Delay brauchen

Sobald die zusätzlichen Lautsprecher installiert sind, müssen Sie diese mit der Beschallungsanlage zeitlich abstimmen. Nur so kommt der Ton stringent aus den Delay-Line-Lautsprechern gleichzeitig mit dem Ton aus den Hauptlautsprechern beim Publikum an. Tun Sie dies nicht, kommt der Sound verzögert an und das führt zu einem schlechten Klangbild.

 


Was noch für die Delay-Line und für Lautsprecher wichtig ist

Selbst wenn Sie das Delay für jeden Ihrer Delay-Lautsprecher perfekt berechnen, gibt es noch ein paar weitere Herausforderungen.

Das Stereobild trotz zusätzlicher Delay-Lautsprecher beibehalten?

Auf einem weiten Feld ist es einfach: Hier können Sie auch mit Delay-Lautsprechern ein Stereobild erhalten (das ist aber nur bei stationärem Publikum sinnvoll). Wenn Sie in einer Halle unter einer Balustrade oder um Ecken herum beschallen wollen, wird es schwieriger. Hier kann eine Stereo-Trennung des Signals wiederum zu ungünstigen Phasenverschiebungen führen. Auch hätten dann eventuell Besucher an verschiedenen Positionen hörbar unterschiedliche Mixes. Achten Sie deswegen exakt darauf, wo Delay-Lautsprecher stehen. Auf einer Loge müssten zwei Delay-Lautsprecher ein stationäres Publikum ebenso von zwei Seiten beschallen wie direkt vor der Bühne.

Mit einem Mischpult Ungleichgewichte in den Frequenzen korrigieren

Je nach Entfernung der Delay-Lautsprecher müssen Sie vielleicht nur die Höhen oder die hohen Mitten verstärken, weil der Bass ganz gut durchdringt. Außerdem kann es bei Delay-Lines vorkommen, dass zwar schwache Frequenzen unterstützt werden, andere Frequenzen sich aber häufen. Ob und wie stark das nötig ist, kommt auf die Musik an, die Ihre Beschallungsanlage wiedergeben soll. Deswegen ist es sinnvoll, zusätzlich zum Hauptmix einen eigenen Delay-Mix zu erstellen. Bei den meisten Mischpulten ist es möglich, einen Ausgang für individuelle „Side-Mixes“ zu nutzen.

Der Haas-Effekt 

Hier erfahren Sie viel mehr zum Haas-Effekt. In ganz kurz: Unser Gehirn deutet einen winzigen Unterschied im Timing der Beschallung als eine Veränderung der Beschallungsrichtung. Oder anders: Die Richtungswahrnehmung bezüglich der Soundquelle verändert sich, wenn sich das Timing eines Lautsprechers minimal verändert. Sie können diesen Effekt auch gezielt in einer Delay-Line nutzen. Verzögern Sie zusätzliche Lautsprecher und Sidefills absichtlich um ein paar Millisekunden. Das erweckt den Eindruck, dass der gesamte Ton, den das Publikum hört, von der Bühne kommt.

Mehr über Beschallungstechnik, viele Grundlagen und wertvolle Expertentipps finden Sie in unserem Magazin.

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